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Bumm! Was du über Lawinensprengungen auf der Nordkette immer schon wissen wolltest
(Kommentare: 2)

Kündigt sich über Nacht viel Neuschnee an, dann wird der schneesüchtige Otto/Gerlinde Normalowintersportler in Innsbruck nervös. Wo schneit es am meisten? Wo ziehe ich meine Spuren in frischen Tiefschnee? Wo ist es sicher? Nach Beantwortung dieser Fragen und im Falle eines ordentlichen Nordstaus pilgern viele dann auf die Nordkette!
Dort spielen sich dann ab 8 Uhr morgens gleichzeitig zweierlei Szenen ab. Einmal unten an der Seegrubenbahn und einmal oben am Berg, wo Lawinen gesprengt werden.

Unten an der Seegrubenbahn...
Im hölzernen Vorraum der Seegrubenbahn auf der Hungerburg trudeln ab 8 Uhr all jene ein, die unbedingt die erste Gondel nach oben erwischen wollen. Je länger die Lawinensprengungen andauern, desto voller wird’s und desto mehr drängen alle langsam aber sicher in Richtung Drehkreuze, um sich die first line zu sichern, eh klar.
Häufig erinnert diese Szenerie an ein Auffanglager für gestrandete Freeridefanaten. Unabhängig vom Wochentag wartet dann eine fröhlich-bunte, behelmte, bebrillte, rückengepanzerte Menschenmasse behängt mit Skijacken, Snowboardhosen, Hardshell, Softshell, Funktions- und Fleecestoff ungeduldig darauf, dass sich die Türen der Seegrubenbahn endlich öffnen mögen.
Zwischen all den Menschen, getreu dem Motto choose your weapon – unzählige Ski und Snowboards, Skistöcke, Lawinenairbags und Rucksäcke. Viele checken während dem Warten ihre Ausrüstung – vorbildlich! Das LVS-Gerät ist bereits im Senden-Modus, das Frühstück wird noch schnell im Stehen verdrückt – es kann ja jederzeit losgehen.

Und oben am Berg?
Sprengt die Lawinenkommission! Was passiert eigentlich genau da oben im Moment der Detonation? Außer, dass in Wilten die Gläser im Schrank klirren und man in Mühlau das Gefühl hat, es werden keine Lawinen, sondern der halbe Berg weggesprengt!
Um ein paar Antworten zu erhalten, hab ich mich mit Christof von den Innsbrucker Nordkettenbahnen unterhalten.
2.5 Kilogramm Sprengstoff und Gazex-Kanonen
Die Lawinenkommission der Nordkette, das sind 13 Mann, die an Einsatztagen ab 8 Uhr morgens in einem Team von drei bis fünf Leuten über Lawinensprengungen entscheiden und diese durchführen.
Abgesprengt werden Lawinen auf der Nordkette auf zweierlei Arten: mit Sprengseilbahnen und fest verbauten Gazex-Kanonen, die sich rechts oberhalb des Frau-Hitt-Sessellifts befinden. Beide Systeme erzeugen durch Auslösung eine enorme Druckwelle, die von der Luft aus nach unten auf die Schneedecke einwirkt und somit kontrolliert eine Lawine auslöst.
Zündstoff sind bei den Sprengseilbahnen pro Auslösung 2.5 Kilogramm Lawinensprengstoff, der mittels Patrone und Zündschnur an diesen befestigt wird. Bei den fest installierten Gazex-Anlagen wird per Knopfdruck am Computer ein Sauerstoff-Propan-Gasgemisch am Rohrausgang gezündet. Gespeist wird das System von einem Container direkt am Hang neben den Kanonenrohren mit einem Gasvorrat, der die ganze Saison reicht.
Aha! Jetzt weiß man also was genau passiert, wenn das dumpfe „Bumm“ allmorgendlich von der Nordkette her grüßt.

Was sich über die Jahre verändert hat…
Am wenigsten wahrscheinlich die Nordkette selber. Die ist nämlich als Teil des Karwendelgebirges durch geologische Auffaltung schon vor ein paar Millionen Jahren entstanden und steht seitdem circa so da, wie wir sie kennen.
„Mei mal hat’s mehr Schnee und mal weniger im Winter!“ – sagt der Christof. Verändert haben sich über die Jahre eigentlich nur die Menschen.
Immer mehr winter- und schneebegeisterte fahren auf die Nordkette, wenn der Schnee gut ist. Immer mehr gibt es auch, die überall hineinfahren wollen. „Das eigene Verantwortungsbewusstsein hat irgendwie abgenommen!“. Hmpf.
Und sonst so? Gibt es Beschwerden wegen der Sprengungen?
„Oh ja – einige!“, antwortet Christof. Ernsthaft? Beschwerden? Das frage ich mich, als ich das höre. Mir wäre es glaube ich noch nie in den Sinn gekommen, eine Beschwerde in Form einer E-Mail oder einem Leserbrief an die lokale Zeitung zu schreiben.
Von der Stadt Innsbruck aus beauftragt muss die Lawinenkommission Lawinen absprengen und einem Sicherheitsauftrag nachkommen. Schneit es so wie neulich knapp zwei Meter in drei Tagen und wird Lawinenstufe vier oder fünf ausgerufen, dann wird neben der Lawinenkommission noch ein Sicherheitsbeauftragter der Stadt Innsbruck hinzugezogen. „Dann geht es besonders um die (Siedlungs-)Bereiche Gramartboden, Rosnerweg, Teile Höttings und Arzl sowie um Evakuierungsmaßnahmen und Sperren!“
Sollte man eigentlich froh sein, dass die Lawinenkommission verhindert, dass irgendwann einmal eine unkontrollierte Großlawine in einen Siedlungsbereich abgeht. Fragt sich, was so mancher Lawinensprengungsgegner dann lieber hätte? Ein kurzes dumpfes Bumm oder doch eine Lawine die durchs Wohnzimmerfenster über den Frühstückstisch rauscht?

Und zuletzt: „‘S Lebn isch hort in die Berg“ oder wie…
Für den einen weil er die erste Gondel bei 50cm fresh pow verpasst hat. Für die anderen weil sie bei Neuschnee ins Büro müssen. Für Katze Miezi und Hund Wau Wau, weil sie sich vor lauter Sprengungskrawall verängstigt unter die Couch hechten müssen und Herrchen dann eine Beschwerde schreibt.
Für alle Wochenendausschläfer, die wegen Sprengungen dann schon vorm samstäglichen Brunch wach sein müssen. Und für alle Weekend-Warriors, die am Wochenende feststellen müssen, dass alle anderen schon unter der Woche den schönen Schnee zerpflügt haben.
Manchmal hat man eben keinen Einfluss auf den Lauf der Dinge ;)
In diesem Sinne, genießt den wunderbaren Winter, wie auch immer es Euch gefallen möge!
KOMMENTARE
Kommentar von Birgit Kratzer |
Liebes Nordketten-Team!
Könnt ihr mir mitteilen, seit wann es diese Art der Lawinensprengung schon auf der Seegrube gibt? Wäre sehr interessant, da ich mir einbilde, diese Sprengung bereits als Kind gehört zu haben. Meine Mama behauptet, dass es diese Sprengungen in dieser Art noch nicht so lange gibt.
Freue mich auf Antwort von euch.
Liebe Grüße, Birgit
Kommentar von Quirin Müller |
Hallo Birgit,
wir werden das herausfinden für dich :) Bei meinem ersten Rundgang im Büro waren die Antworten erstmal: "Puh, eigentlich schon immer..." oder "Seit ich denken kann". Ich werde dir die Tage die Bewilligung der Sprengseilbahnen raussuchen, dann wissen wir es genau :)
LG,
Quirin
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